Juni 2024
So
30
Jun
2024
Die alten Griechen beschäftigten für Vorhersagen auf professioneller Prophezeiungsbasis spezielles (weibliches) Personal: am prominentesten (und teuersten) die Sibyllen und die Pythia in Delphi, aber auch weitere Frauen. Schließlich sollte sich jeder Grieche und jede Griechin seine Prophezeiung leisten können. Die griechisch-affinen Etrusker übernahmen das Konzept der Zukunftsdeutung und von ihnen übernahmen es dann die alten Römer.
In unserer heutigen Zeit dürfen auch die Männer ran, ist das Vorhersagen massenkompatibel und umsonst. Fast. Wir bezahlen mit Zeitungsabo und Internetnutzung und GEZ-Gebühren und - Ängsten. Denn die Vorhersagen machen immer Angst. Nie heißt es "alles wird gut". Alles ist immer noch schlimmer und noch schrecklicher, das Klima, die Weltpolitik, selbst das Wetter.
Zugegeben, ab und zu ist es wirklich schrecklich, die letzte Nacht zum Beispiel war absolut schrecklich. Es war am Tage viel zu warm, viel zu schwül gewesen und in der Nacht kamen die Unwetterfronten, gleich zwei, von Frankreich gezogen. Ich mag Gewitter im Dunkeln gar nicht. Und es blitzte ohne Unterlass, der Donner ließ die Fensterscheiben zittern, es schüttete ganze Wasserfälle auf uns, Hagel, Wassermassen, im Viertel um die Ecke brannte ein Haus.
Ich sagte: "Der Siebenschläfer ist schuld." Denn am Donnerstag, 27ter Juni und Siebenschläfer, hatten wir auch Hitze, Schwüle, Starkregen, Gewitter gehabt, die Stadt hatte die Parks geschlossen und in unserem Garten war ein Teich entstanden. Soll dieses Siebenschläfertag-Wetter nun sieben Wochen anhalten?
Kurz bevor die zweite Unwetterfront über uns hereinbrach hörten wir den Fanfarenzug der hiesigen Schützen, vielleicht holten sie jemand von zu Hause ab, vielleicht waren sie schon auf dem Weg zum Schützenausmarsch-Sammelplatz, morgens um halb vier. Und dann rumste der Donner und es blitzte und blitzte und blitzte und Wassermassen prasselten gegen die Scheiben. Ich zog die Bettdecke über den Kopf und war froh kein Schützenvereinsmitglied zu sein.
Dann heute war der große Schützenausmarsch für das hannoversche Schützenfest, vom Fernsehen erneut übertragen, aber die beiden Moderatoren saßen im hannoverschen Funkhaus und nicht an der Ausmarsch-Strecke und sinnierten über hannoverschen Regen. Alle, die am Ausmarsch teilnahmen, taten dies im Dauerregen und mit unzähligen Regenschirmen, nur die Moderatoren wurden nicht ein Fitzelchen nass.
Fußballerisch dagegen war es schöner Samstag. Erst gewann 'Hopp-Schwyz' und warf lustlose Italiener hinaus und dann gewann 'Schland'. Oh Schland, oh Schland. Das Daumendrücken geht weiter. Und dann hoffentlich ohne so eine Unwetterunterbrechung.
Mi
26
Jun
2024
Hitzewelle, schreibt die Zeitung, wir hätten jetzt eine Hitzewelle. Wenn ihr mich fragt ... eine Miniatur-Hitzewelle. Blauer Himmel, Temperaturen oberhalb von 25 Grad Celsius, wir haben einen Sommertag. Endlich.
Wikipedia schreibt: "Ein Sommertag ist die meteorologisch-klimatologische Bezeichnung für einen Tag, an dem die Tageshöchsttemperatur 25,0 Grad Celsius erreicht oder überschreitet."
Hitzewelle, das ist für mich das, was sie in Griechenland haben. Aber nicht drei Tage Sommer und dann Gewitter, denn das wird zum Wochenende kommen, aber sowas von sicher.
Und Morgen ist Siebenschläfer ....
So
23
Jun
2024
Die Stadt Hannover hat wieder ihre Bewässerungsverbot-Verordnung in Kraft gesetzt, seit Anfang Juni gilt sie nun schon. Weil wir unsere Grundwasserressourcen schonen müssen/sollen. Die Regeln sind weniger streng als noch im letzten Jahr. Bewässern ist verboten ab 11 Uhr und bis 17 Uhr, aber nur wenn es wärmer ist als 27 Grad Celsius. Ich habe noch gelernt, dass man nicht in Sonnenhitze Wasser auf die Blätter und so bringen darf, damit diese nicht verbrennen, gilt der gesunde Menschenverstand heute nicht mehr?
Mit der Hand einzelne Pflanzen gießen, die Kübel oder das Gewächshaus, den Brunnen füllen oder das Planschbecken, all das darf ich und ich werde das mit dem Gartenschlauch tun und nicht mit der Gießkanne, nur den Rasensprenger darf ich erst ab 17 Uhr aufstellen. Auch wenn dann noch 27 Grad Celsius sind. Also theoretisch. Was für ein komplizierter Verbots-Irrsinn. Und überhaupt, wenn die Unwetter weiterhin Teiche rund ums Haus anlegen, wer will denn noch extra Beete und Rasen bewässern?
Wir blicken gespannt aufs Wetter. Denn am Donnerstag um 22.50 Uhr unserer hannoverschen Zeit begann der Sommer. Am Freitag hatten wir für Nachmittag und Abend eine Unwetterwarnung, die Luft war wie eine heiße Wand, so feucht, so drückend, überall zogen Gewitter auf, es schüttete dort Unmengen an Wasser - Hannover lavierte irgendwie zwischen den Gewitterzellen hindurch, es regnete, aber verhalten. Ich atmete tief durch, ich habe Unwetter und Regenüberschwemmungen satt. So satt. Am Samstag dann war Vollmond. Es wurde wärmer, es blieb trocken. Das soll nun erst einmal so weitergehen. Warm und trocken. Wir wagen vorsichtige Sommerfreude. Erst einmal bis zum Siebenschläfer, dann weitersehen.
Die Fußballfans freut Wärme und Trockenheit, die Spieler bestimmt auch. Wer spielt schon gern in strömendem Regen ... Seit genau 10 Tagen läuft die Europameisterschaft. Hannover gehört nicht zu den Austragungsorten, das erspart uns Fanmassen und Sicherheitsprobleme, ist aber auch etwas schade. Dafür läuft der Fernseher. Dreimal am Tag Fußball, dreimal am Tag in Trance verfallen für das Tippspiel, dreimal am Tag den Kopf schütteln über seltsame Ergebnisse. Nur Deutschland ist bislang erstaunlich gut ... hoffen wir, dass es so bleibt.
Mein Fußballsättigungsgrad hat 90 Prozent erreicht.
Do
20
Jun
2024
Draußen stürmt und schüttet gerade der Regen, die Regentonne läuft über, der Garten mutiert zum Teich, der Kellerschacht an der Westseite ist gottlob mit 30 Zentimeter hoher Rasenkante gesichert, dort steht das Wasser 10 Zentimeter hoch. Zeit, um noch etwas vom Museum zu erzählen. Von den Etruskern.
Das Volk der Etrusker tauchte um 1000 vor Christus in der heutigen Toskana in Italien auf. Die Historiker streiten immer noch, woher sie wohl kamen, ob sie aus einem anderen Land stammten oder ob sie aus der damaligen Bevölkerung heraus entstanden, klar ist nur, dass sie Adelsgeschlechter mit Königen hatten und jeder König eine Stadt regierte. Zwölf Etruskerstädte gab es, zu einem Städtebund zusammengeschlossen, darunter Rom.
Die Etrusker hatten eine eigene Sprache und Schrift, angelehnt an das Griechische, gelesen wurde von rechts nach links, aber sie schrieben wohl nicht sehr viel oder es wurde zerstört, zumindest wurde nur wenig gefunden. Die etruskischen Frauen hatten mehr Rechte und Freiheiten als in vielen anderen Völkern, ob sie gleichberechtigt waren ist schwer zu sagen. Angeblich wurde gern gefeiert.
Alles Griechische war IN, es wurden griechische Waren importiert und als Vorbild für das eigene Handwerk genommen, es wurde aber auch exportiert, es gab sehr schöne etruskische Keramiken
(schwarzes Bucchero oder in Zinn getauchte Kannen für den besonderen Geschmack) und hervorragenden Schmuck., wirklich hervorragend und heute noch tragbar.
Handelsbeziehungen gab es bis nach Skandinavien. Die Etrusker waren gute Seefahrer und beherrschten ab 750 vor Christus das Tyrrhenische Meer (das begrenzt wird von Elba, Korsika, Sardinien,
Sizilien und dem italienischen Festland). Militärische Auseinandersetzungen führten zu einer Ausweitung des etruskischen Gebiets, um 600 vor Christus waren die Etrusker auf dem Höhepunkt ihrer
Macht. Aber letztendlich ging das Volk in den letzten 100 Jahren vor Christus im römischen Volk unter, es wurde assimiliert (hallo Startrek), etruskische Sitten und Gebräuche wurden zu
römischen.
Die Ausstellung im Landesmuseum trägt den Untertitel "Etruskische Schätze aus der Villa Giulia", diese römische Villa war einmal eine päpstliche Sommerfrische und ist nun das etruskische Nationalmuseum. Die Ausstellung macht einen Ausflug in die Eisenzeit, vergleicht die Kunst mit der in Nordeuropa und stellt die italienische Familie Castellani in den Fokus. Schon Papa Castellani (1793-1865) war Goldschmied, gründete 1814 sein eigenes Atelier, interessierte sich für alles Etruskische und sammelte, rein nach ästhetischen Kriterien, ein Grauen für heutige Archäologen. Seine beiden Söhne führten das fort, einer in Paris, einer in Italien, und sammelten und handelten mit den Stücken... denn mit Etruskern ließ sich gut Geld machen. Jetzt waren Etrusker IN. Und der nachgemachte, pardon, nachempfundene Schmuck erst. Der Hype vor dem ägyptischen Hype. Dann kam der Jugendstil und etruskischer Schmuck war OUT.
Immerhin, Alfredo, der Sohn und Erbe von Augusto Castellani (1829-1914), stiftete später seine "Etrusker" dem italienischen Staat, fürs Museum, mehr als 6000 Stücke. Etwa 100 davon sind in Hannover: echter etruskischer Schmuck, nachgemachter aus dem 19ten Jahrhundert, ganz viel Keramik und Schalen ... hauptsächlich Keramik und Schalen.
Woher das alles kam? Ein großer Teil von Friedhöfen, alten Friedhöfen der Etrusker, aus Gräbern, die für den Hype im 19ten Jahrhundert aufgegraben und geplündert
geborgen wurden. So betrachtet waren die Castellanis Grabräuber ... Auftraggeber der Grabräuber. Es gab ja genug zum Graben. Denn die Etrusker legten bei ihren Städten große Friedhöfe an, die Mode der Urnenbestattung, ärgerlich für alle Ausgräber (obwohl durchaus schöne Urnen), wandelte sich zu Erdbestattungen mit schönen Sarkophagen und allerlei Grabbeigaben für alles, was man so braucht in der Welt nach der Welt. Grabkammern wurden angelegt und ausgemalt - eine nachgebaute steht in der Ausstellung - mit dem Flair einer Aufzugkabine.
Ich kaufte mir den Ausstellungskatalog für 15 Euronen, weil ich in einem kurzen Beitrag über Moorarchäologie den Namen meines Onkels entdeckt hatte. (Ihr könnt jetzt fragen, was Moorarchäologie mit den Etruskern zu tun hat ... ich kanns nicht sagen ... aber interessant.) Und dachte, vielleicht stünde ja im Katalog mehr über das etruskische Leben und die ausgestellten Stücke. (Äh, nein.) Ich begann schon nach den ersten Seiten mich zu ärgern: Über falsche gesetzte und fehlende Kommata, über grammatikalisch falsche Sätze, Sätze, in denen Worte vorkamen, die keinen Sinn hatten oder in denen Worte fehlten. Sätze, die keinen Sinn ergaben. Das Gefühl, dass da ein Computerprogramm aus dem italienischen/englischen/französischen übersetzt hatte .... Und niemand Korrektur gelesen.
Bereits eine der Infotafeln in der Ausstellung war so fehlerhaft ... Hannover, die Hochburg des korrekten Deutsch ... in einer Ausstellung des Niedersächsischen Landesmuseums ist das einfach nur peinlich für Museumsdirektorin und Kurator.
Di
18
Jun
2024
Ich brauchte dringend Ablenkung. Das Wetter war so unberechenbar und windig und schüttete immer wieder Regen über uns, dass wir uns nicht für Outdoor entscheiden mochten. Also Indoor. Also Museum.
Wir fuhren zum Niedersächsischen Landesmuseum, dort gibt es nicht nur eine Sonderausstellung mit Gemälden von Paula Modersohn-Becker, es gibt auch bis zum 1. September eine Sonderausstellung zu den Etruskern. Ganz ehrlich, kennt Ihr die Etrusker? Mir sind sie vertraut seit ... Mein Onkel, Lieblingsbruder meiner Mutter und Archäologe, schenkte mir "Götter, Gräber und Gelehrte", geschrieben von Herrn Marek, Autorenname Ceram. Es ging um Keilschrift, um Ägypten, um Tutenchamun. Es war der Beginn einer Reihe von Büchern über alte nordamerikanische Kulturen, über die Azteken, die Maya, die Inka und über die Etrusker. Und nun, so viele Jahre später, gab es eine Sonderausstellung über sie. (Die im MAK damals 2010/2011 hatte ich verpasst.) Ich war sehr gespannt.
Wir stellten uns an die Kasse, der Kassierer war schon älter, so in unserem Alter. "Zweimal für Erwachsene bitte." "Was möchten Sie denn sehen? Die Sammlungen oder die Sonderausstellung? Sie wollen bestimmt zu Paula Modersohn-Becker." "Äh, die Sonderausstellungen und die Sammlungen auch." "Paula ist aber voll, Sie sollten vielleicht später noch einmal wiederkommen." "Eigentlich wollten wir zuerst zu den Etruskern ..." "Wir haben 8 Schulklassen im Haus. Ja, wenn Sie unbedingt wollen..." Das Gefühl, nicht erwünscht zu sein, schlich sich ein. Dann wagte der beste-Ehemann-forever die Frage "Gibt es denn Ermäßigungen?" "Wenn Sie schwerbehindert sind ... oder Arbeitslos ...???" Wir wurden kritisch gemustert. Ich schüttelte den Kopf "Sonst irgendwelche? Für ADAC-Mitglieder vielleicht?" "Nein." "Oder HAZ+?" "Ja, dafür schon." Wieso musste ich danach explizit fragen? Ich holte meinen Ausweis der Tageszeitung heraus, auf dem Display der Kasse erschien '1x ermäßigter Eintritt, 1x voller Eintritt'. "Wieso zählt das für meinen Mann nicht?" "Ich habe nur die Karte von Ihnen gesehen." Der beste-Ehemann-forever suchte die Partner-Karte der Zeitung. Es dauerte. Dann legte er sie auf den Tresen. "Na gut." Auf dem Display stand nun '2x ermäßigter Eintritt' jeweils 8 Euronen, widerstrebend.
Was uns nicht klar war, war, dass damit nur eine Sonderausstellung bezahlt war, für die zweite hätten wir noch einmal 4 Euronen pro Person hinlegen müssen. Aber das erfuhren wir erst, als wir, ganz zuletzt, im zweiten Stock vor der Tür standen und nicht hineinkamen. Ich hatte keine Lust hinunter zur Kasse zu laufen und wieder hoch in den Zweiten. Wortwörtlich. Die Stockwerke sind hoch im Landesmuseum. So ließen wir Paula ungesehen zurück - und fanden das nicht schlimm. Die Etrusker dagegen sahen wir. Es war so lala. Nicht das Erwartete.
So
16
Jun
2024
Der Regen hat die Rosenblüten viel zu früh Verblühen lassen.
Erinnerungen an die Pracht.
Fr
14
Jun
2024
Wir haben Igel Isidor in die Tierärztliche Hochschule TiHo gebracht. Wir hoffen, dass sie ihn dort so behandeln, dass er wieder gesund wird, dass er in einigen Wochen wieder nach Hause kommt. Aber das Risiko, dass er stirbt und wir ihn gestern das letzte Mal gesehen haben, ist groß. Ich bin traurig.
Wie das alles kam? Ach ja, am Montag, im Dauerregen, tauchte er, noch im Hellen, auf der Terrasse auf und schnupperte langsam durch alle Ecken, fraß und trank aus den Schalen an der Schaukel und ging wieder schlafen. Dann sahen wir ihn zwei Tage lang nicht und ich war in Sorge, denn ... bei Nachbarn gibt es neuerdings einen Rasenmähroboter und was die mit kleinen Igeln machen ... und das ist nicht egal, von wegen ist ja nur ein Igel, ok?
Am Donnerstag wollten wir am späten Vormittag in die Stadt fahren und als wir mit dem Auto aus unserem kleinen Stichweg herauswollten, da saß er da. Mitten auf der Straße. Ich rannte zurück und holte Handschuhe und einen großen Eimer, hob ihn hinein und brachte ihn in den Garten, den Eimer gekippt, sodass er hinaus konnte. Als wir nachmittags zurückkamen war Igelchen weg.
Heute sahen und hörten wir nichts von ihm und ich machte Gartenarbeit. Und dann, am späten Nachmittag, hörte ich sein Schnaufen. Wo verflixt war er? Längere Suche. Dann fand ich ihn. Im Schacht vor dem Kellerfenster, die Schächte sind durch Gitter und Vorhangschlösser gesichert, wie war er da nur hineingekommen? Ich holte Handschuhe und den großen Eimer und hob ihn durchs Kellerfenster aus dem Schacht in den Eimer. Ihn umschwirrten zig Fliegen, die musste ich erst fortscheuchen. die hatten Eier auf sein Gesicht, das Ohr, überall hin, abgelegt. Wie lange war er im Schacht gewesen? Er hatte nichts zu 'verkaufen', wirklich nichts. Krank sah er aus.
Das Internet sagte, die Fliegenmaden würden Igel von innen auffressen und jede Minute, sie zu entfernen, würde zählen. Fahren Sie in den Notdienst, sagte das Internet. Ja, und dann rannten wir, holten das Auto, ich legte Fliegengaze über den Eimer, weil ein Floh mich schon erwischt hatte. Und so fuhren wir zur TiHo.
Die TiHo Klinik für Kleintiere ist ein Erlebnis für sich. Es ist alles nur sehr rudimentär ausgeschildert, es gibt zwei Eingänge, im Internet hatte gestanden, Wildtiere müssten zum rechten Eingang, man müsse klingeln. Das taten wir, schilderten Igelchens Zustand, hörten etwas leises Unverständliches, verstanden aber "zweiter Stock", die Tür öffnete sich von allein und wir gingen hinein. Wir fanden den Fahrstuhl und fuhren hoch, dann standen wir vor vielen Türen, alle verschlossen, niemand zu sehen. Erst nach einigen Minuten kamen drei junge Frauen, ich fühlte mich nicht mehr ganz so verloren, und nahmen sich Isidors an: sie würden ihn betäuben und röntgen, alle Parasiten entfernen und alle Fliegenhinterlassenschaften und Zecken und Flöhe und, wie gesagt, wenn er alles überlebte und wir ihn wieder auswildern wollten, dann riefen sie an ... frühestens in drei Wochen.
Wir wurden zur Kasse im Erdgeschoss geschickt, denn all das kostete uns 25 Euronen. "Wer ein Wildtier der Natur entnimmt, übernimmt für das Tier die Verantwortung, auch finanziell." Und die tatsächlichen Kosten betrügen bedeutend mehr, da könnten wir noch froh sein. Ob wir nicht etwas spenden wollten ... Im Gang vor der Kasse stand eine lange Schlange, würden wir wohl bis zum Fussballspiel wieder zu Hause sein? Nach mehr als 30 Minuten waren wir drin, brauchten 2 Minuten fürs Bezahlen und 10 Minuten nach Hause. Uns war so gar nicht nach Fussballfest.
Rund um den Flohbiss rötete sich die Haut und wurde dick und heiß. Und überhaupt war mir zum Heulen.
Di
11
Jun
2024
Wir müssen uns erst einmal erholen und durchatmen.
Zum einen war da Tennis. Tennis in Paris, Roland Garros, am Freitag die Halbfinal-Spiele, im zweiten davon spielte unsere deutsche Tennishoffnung und gewann. Gleichzeitig spielten die deutschen Fußballmänner um die Ehre und der Tenniskommentator sagte, er hoffe, die Zuschauer blieben dem Tennis erhalten. "Fußball wird im Allgemeinen schrecklich überschätzt." Nun, wir werden sehen, denn am nächsten Freitag beginnt die Europameisterschaft. Aber am Sonntag war erst einmal das Tennis-Endspiel und es war spannend und lang und nervenaufreibend. Und dann verlor unsere Tennishoffnung und sein unsympathischer Gegner hielt den Pokal. Ach, wie schade.
Am Sonntag wurde auch gewählt, das neue Europaparlament. Und das war das Andere. Das Ergebnis.
Hier bei uns in der Stadt Hannover wurden die Grünen am stärksten, knapp dahinter (um 1,3 %) liegt die CDU, nochmal dahinter (um 1,5 %) die SPD. Da könnten wir ja ganz zufrieden sein, wenn nicht ... die Nazis hier bei uns in der Stadt Hannover zwanzigtausendneunhundertvierundfünfzig Stimmen bekommen hätten, zwanzigtausendneunhundertvierundfünfzig Stimmen zu viel. Und wenn nicht ... wenn nicht das Gesamtergebnis unseres Landes wäre. Und das der Franzosen. Und das der Niederländer. Und das der Italiener. Welche Fehler hat Europa bei der Aufarbeitung der letzten hundert Jahre Politikgeschichte gemacht, dass diese Nazis wieder so einen Zulauf bekommen?
Irgendwie passte das Wetter am Montag dazu. Es regnete, es wurde kalt, nein, kein Frost, aber gerade mal 14 Grad Celsius am Tag. Die kleinen Meisenkinder saßen aufgeplustert in der Kletterrose unterm Dachüberstand und Igel Isidor stand vor der Tür, verschnupft und mit kleinen Äuglein. Und alle hatten Hunger.
So haben wir sie jetzt, die Schafskälte. Das ist kein Klimawandel, das ist pünktlich wie immer seit ich denken kann. Normal. Einfach normal.
So
09
Jun
2024
Zur Samstagsausgabe unserer Tageszeitung gehört eine Sonntagsbeilage. Schon immer. Früher, ganz früher, übrigens mit Kinderseite, die ich geliebt habe. Heute mit zwei festen Glossen und Interviews und ab und an mal mit einem Thema, das sich durch die acht Seiten zieht. Ganz aktuell also Fußball, damit wir schon mal angefixt werden, wenn die Europameisterschaft in einer Woche losgeht. In diesem Jahr ohne die kleinen Ottifanten, ich muss unbedingt die von vor 4 Jahren suchen gehen, vielleicht .... Die seltsamen langweiligen Playmobil-Figuren, die Edeka für teures Geld für die EM anbietet, sind jedenfalls kein Ersatz.
Vor einer Woche stand die Sonntagsbeilage noch ganz im Zeichen von Franz Kafka: "Generation Kafka", "Die vielen Seiten des Franz K.", "Die Angst des Ostens vor Kafka". Was man alles so schreibt zum 100sten Todestag eines Schriftstellers, der meiner Erinnerung nach bestimmt hatte, dass nach seinem Tod alles Geschriebene von ihm verbrannt werden sollte. Ach hätten sie doch nur. Ich musste ihn für mein Abitur lesen und fand ihn grauenhaft. Damals hatte ich ganz konkret mein Alltagsleben zu bewältigen und für die dunkel-depressiven Gedankenwindungen eines Kafka überhaupt keinen Zugang. Seine Werke sind für mich Alpträumen gleich, schrecklich. Aber er ist IN. Im Fernsehen laufen Filme zu und über Kafka, die Zeitungen schreiben über ihn, nicht nur unsere Tageszeitung, oh nein, viele Blogger lesen auf einmal Kafka und behaupten, er sei ja soo zeitgemäß und modern. Nein, danke.
Mi
05
Jun
2024
Die kleinen Blaumeisen sind da. Eins - Zwei - Drei - Vier - Fünf. Sie sitzen im Kirschbaum und rufen die Eltern. Und dann kommt der Blaumeisenpapa mit einer fetten braunen Schmetterlingspuppe und sein Kind beugt sich so weit zurück, dass es fast vom Zweig fällt. Hunger. Lecker.
So
02
Jun
2024
Zweimal im Jahr fahren wir nach Engesohde. Ja, ich weiß, wir sollten eigentlich öfter. Aber das klappt einfach nicht, denn Engesohde ist nicht gerade 'umme Eck', sondern bedarf 20minütiger Autofahrt. Engesohde ist der große Friedhof am Maschsee und dort hat die Familie seit 1888 eine Grabstelle. Im Frühjahr und im Herbst wird sie von uns bepflanzt.
In diesem Jahr waren wir spät dran, irgendetwas passte immer nicht, Termine und das Wetter. Wer will schon bei Dauerregen ein Grab bepflanzen oder im Starkregen ... Die bewährten Knollenbegonien standen bereits parat, dieses Mal in einer gewagten dunkelrot-gelb Kombination - und dann kam der Hexenschuss und so standen sie noch etwas. Aber nun.
Im letzten Herbst waren wir von Mückenschwärmen überfallen worden, dagegen wappnete ich mich mit langen Ärmeln und Anti-Brumm. Und prompt stach mich etwas ins Handgelenk. Es ist eben ständig alles nass und die Böden sind dunkel und schwer und das trotz scheinender Sonne, die für eine Luftfeuchtigkeit sorgt, dass ich Moos ansetzen könnte. Wäre ich ein Baum.
Nach dem Pflanzen bummelten wir noch etwas, früh am Morgen war der Friedhof menschenleer bis auf uns. Da war der Goldener-Engel-Brunnen an der Wegekreuzung - die Schale noch immer verwaist seit gewissenlose Diebe Anfang letzten Jahres die schöne kleine vergoldete Brunnen-Figur geraubt haben. Vergoldeter Gips. Die Figur wurde, was viele offenbar gehofft hatten, nicht wiedergefunden oder gegen Lösegeld zurückgegeben. (Das gab es vor vielen Jahren mit der alten Sonnenuhr im Berggarten und vor gar nicht so vielen Jahren mit dem Leibnizkeks vor dem Bahlsen-Stammhaus.) Die Figur, die so verlässlich strahlend dort zwischen den Bäumen stand, fehlt mir. Ich kann verstehen, dass die Stadt zögert, eine neue aufzustellen, Wert immerhin 20.000 Euronen, aber trotzdem ... Wie kann man nur. Auf einem Friedhof stehlen ...
So liefen wir zum großen Wasserbecken, angelegt irgendwann zwischen 1913 und 1934 von Stadtgartendirektor Kube, mit den schönen Seerosen. Vor zwei Jahren noch standen große Buchskugeln links und rechts davon, vor jeder Grabstelle eine. Der Buchs ist verschwunden, die kleinen Buchskugeln auf unserer Grabstelle, von mir gepflanzt, übrigens auch. Zu dem Warum gab es keine Auskunft.
Die Grabstellen am Wasserbecken sind groß, die Grabsteine darauf wuchtig und riesig und teilweise fast Kunstwerke, die meisten stammen aus den 40er Jahren. Es war bestimmt teuer, dort eine Grabstelle zu erwerben, vermögend musste man sein und vielleicht auch der 'richtigen' Meinung. 'Fabrikant' steht auf einem der Steine, 'Bankdirektor' auf einem anderen. Zu steigern war das nur mit dem eigenen Mausoleum. Das der Familie Woltmann, von dem 'unser' Weg abgeht, wird seit einem Jahr restauriert und sieht inzwischen fast neu aus. Bei den meisten aber nagt die Zeit.
Rund ums Wasserbecken tummelten sich die Libellen - und die Mücken. So ganz ohne Stich kamen wir doch nicht davon.
Herr Woltmann war Geschäftsmann, Pferdehändler schreibt die Zeitung. Er und seine Frau und Kinder sind in dem 1918 fertiggestellten Mausoleum beigesetzt. 1982 gab es keine zahlungswilligen Nachfahren mehr, seitdem gehört es der Stadt Hannover und es verfiel, bis ein für die Öffentlichkeit anonymer Spender auftauchte, der die Restaurierung bezahlte - oder einen Teil davon. Als Gegenwert dürfen er und seine Familie sich später im Mausoleum beisetzen lassen, das ist als Investition in die Zukunft wirklich nicht zu verachten, denn die Erbbegräbnisse auf Engesohde sind teuer. Wir wissen das.
Der Bauzaun steht noch und die Tür fehlt, im Inneren ist noch nicht alles fertig, aber schon ist es schick geworden. Mit blauer Bemalung, restauriert und ergänzt. Das Mausoleum rechts daneben wartet auf einen Restaurierungs-Paten, nötig hat es ihn.