Am Wochenende hatte unsere Tageszeitung ihre übliche Sonntagsbeilage namens "Wochenende". Die ich mir immer für das Sonntagsfrühstück aufhebe. Dieses Mal hatte der von mir sehr geschätzte Imre Grimm den 'Leitartikel' darin geschrieben. Und der fing so an: "Die Post hat schon wieder geschrieben. Mein Paket sei bald da. Man hat mich auf dieses erfreuliche Ereignis umfassend vorbereitet - mit nicht weniger als fünf E-Mails: "ihr Paket kommt bald. Wann und wo möchten Sie es empfangen?", "Ihr Paket kommt heute, jetzt Ablageort wählen", "Ihr Paket kommt früher - jetzt live verfolgen", "Ihr Paket wird gleich zugestellt" und - hurra! - "Ihr Paket liegt am gewünschten Ablageort". Man kann das transparent nennen und service-orientiert. Oder auch übergriffig." (HAZ vom 17./18. Juni 2023) Ich bekam einen Lachanfall.
Denn es ist genauso, schon mehrere Jahre, ich bekomme diese Mails auch, die Höchstzahl der Mails war Acht (da verspätete sich die Zustellung), das mit dem Ablageort funktioniert sowieso nicht, aber ich weiß so in etwa, wann mein Bestelltes kommt. Das hat schon Vorteile, auch wenn es nervt. Übergriffig nenne ich das nicht, aber vielleicht etwas too much? Für einige Mitmenschen hier im schönen Hannover sind meiner Ansicht nach diese Mails unverzichtbare Information, lebenswichtig sozusagen, nur leider... ja, leider lesen sie sie offenbar nicht. Oder doch?
Es war einmal, nebenan zog eine junge Familie ins Häusle samt Garten. Kam der Postbote und dort war niemand zu Hause kam der Postbote zu uns und wir nahmen nachbarschaftlich selbstverständlich Paket oder Päckchen an und legten es in die Flurecke. Das passierte nicht sehr oft, so machten wir uns keine Gedanken, wenn die Nachbarschaftspost länger in der Flurecke lag. Nur einmal vor Weihnachten, drei Wochen lag es da, das Bestellte, bis jemand hinüberging. Das war strange.
Mit Corona nahm die Frequenz der Paket- und Päckchenlieferungen stetig zu, bis auf drei Mal in der Woche, die Frequenz des Abholens allerdings nicht. Der Stapel in der Flurecke wuchs. Wir stöhnten über die Nachteile des Arbeitens im eigenen Haus, das Klingeln der Postboten zu jeder erdenklichen Tageszeit und die Enttäuschung wenn es wieder nicht das eigene Bestellte war. Zwischendurch hatten wir den Verdacht, der Postbote ginge gleich zu unserem Haus und sparte sich das Klingeln nebenan. Ab und zu kam dann der Nachbar "Könnte es sein, dass hier etwas für uns liegt?" Und sie hätten gar keinen Zettel im Briefkasten gehabt, ach, sie hätten ja gar nicht gewusst. Jedesmal.
Und nein, wir hatten keine Lust auch noch die Post hinter den Nachbarn hinterherzutragen, ich fand, das wäre zuviel des Guten. Eines Tages, nach fast zwei Jahren Corona-Pakete-Erfahrungen, fragte ich den drei Pakete auf einmal (beachte: sie waren nicht auf einmal gekommen) abholenden Nachbarn, wie das denn sein könne, dass sie nie etwas wüssten. Sie würden doch im Internet bestellen, da gäbe es doch Mails, eine Bestellbestätigung, eine Packbestätigung, eine Paketverfolgung, eine Paketankündigung, eine Meldung wenn geliefert ... Ganz besonders beim großen A., der ja so ganz besonders eifrig mit den Mails ist ... und schreibt, wo und bei wem abgegeben wurde. Da wurde der Nachbar ganz schmallippig, sie hätten schon über eine Packstation nachgedacht, dann redete er von seiner Frau, die so viel bestellen würde, auch für andere, die den Überblick verlöre. Und ich dachte, wie armselig, wieder ist die Frau schuld. Ich sagte, er könne ja vielleicht mal schneller, einfach mal die Mails checken ...
Das waren die letzten Pakete für diese Nachbarn, die bei uns abgegeben wurden. Es war nicht so, dass wir die Annahme verweigert hätten, es kam einfach kein Paketbote mehr. Uns war es recht. Wir überlegten, gab es jetzt die Packstation? Dann sah ich den Nachbarn mit einem Paketstapel aus einem der anderen Häuser kommen. Ich glaube, er hat mein Lachen gehört.