Der Martinstag brachte Sonne, offene Geschäfte in Hannovers Innenstadt zum Shoppen, einen neuen Oberbürgermeister, einen großen Laternenumzug, aber nicht einen einzigen Martinssänger an unsere Haustür. Und Kälte. Am nächsten Morgen waren die Dächer weiß gefroren. Oh, verflixt, kalt!
Die Tiere im Tiergarten hatten eine frostige Nacht hinter sich, konnten aber nicht so ruhig und gemütlich frühstücken wie ich. Denn ...
Denn jedes Jahr im November ist im Tiergarten Jagdsaison und Schüsse peitschen durch den Wald. Weil sonst das Damwild zu zahlreich würde, weil es die jungen Bäume zerbeißen würde, weil die gesammelten Eicheln und Kastanien nicht reichen würden. Weil dafür einstmals der Tiergarten entstand: für die fürstlich-herzogliche-königliche Jagd und damit es im Schloss etwas zu essen gab. Und heute in Hannover. Denn wer mag, kann das Fleisch kaufen, jeweils Donnerstagsnachmittags bis zum 5.12. im Jagdhaus des Tiergartens: Fleisch vom Damwild, vom Rotwild und von den Wildschweinen. Das ist schon etwas anderes als das abgepackte Fleisch beim Discounter.
Während der Jagd wird der Tiergarten verschlossen, es wäre zu gefährlich für Spaziergänger. Und auch deprimierend, die schönen Damhirsche tot zu sehen. Obwohl ich als Kind dabei war, wenn bei uns Geflügel oder Kaninchen geschlachtet wurden und ich selbstverständlich alles gegessen habe, bin ich heute doch froh, dass ich das Huhn, das in der Küche brät, nicht vorher gackernd herumlaufen gesehen habe.
Wir waren vor Beginn der Jagdtage im Tiergarten, gleich morgens, als Familie Damhirsch gerade aufgestanden war und noch sehr gleichgültig gegenüber Menschen und ihren Kameras. Da muss Mensch schon aufpassen, nicht umgerannt zu werden und die tierische Vorfahrt achten.
Die weißen Familienmitglieder sind keine Albinos, sondern einfach eine besondere Fellfarbe. Die kann bei Damwild von weiß über rotbraun bis schwarz gehen. Ein alter Jäger-Aberglaube sagt, dass weiße Tiere nicht geschossen werden dürfen, sonst stürbe der Jäger innerhalb eines Jahres. Ich weiß nicht, ob die Jäger im Tiergarten ...
Ein Geweih tragen nur die Männer. Wer sich auskennt, kann daran, wie groß und verzweigt es ist, das Alter des Hirschen bestimmen. Erwachsene Hirsche werfen ihr Geweih im Frühjahr ab (und nein, Spaziergänger dürfen es nicht aufsammeln und als Souvenir mitnehmen) und dann wächst es nach, das dauert etwa vier Monate und ist pünktlich zur Brunftzeit fertig.
Während des Geweihwachstums ist es von einer dünnen Hautschicht, der Basthaut überzogen. Dann stirbt diese ab und löst sich und der Hirsch versucht, sie an Bäumen und Büschen abzustreifen. Er "fegt" sein Geweih. Vielleicht weil es juckt, vielleicht weil es nicht gerade schmückt, Fetzen am Kopf hängen zu haben und um die Weiblichkeit und die Rivalen zu beeindrucken muss Hirsch imposant aussehen. Nach dem Winter löst sich die Verbindung zwischen Kopf und Geweih von selbst und dann fällt es ab. Dann muss Hirsch dieses sperrige, schwere Ding mal nicht herumtragen. Und dann beginnt es neu.