In der Zeitung stand am Morgen danach, nun sei es für dieses Jahr vorbei, 63.000 Besucher seien heuer beim Kleinen Fest in Hannovers Großem Garten gewesen, 15 Vorstellungen habe es gegeben (weil einmal wegen Regens abgesagt werden musste). Und damit begannen meine Rechenprobleme.
Aber von vorn:
Kleines Fest im Großen Garten. Nach einigen Jahren Pause waren wir mal wieder da. NICHT am heißesten Julitag aller Zeiten mit 38 Grad Celsius, aber am letzten Abend bei 31 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit wie Sauna und Null Wind zwischen den hohen Hecken des Gartens.
Ich fächelte und fächelte und fächelte bis die Hand wehtat. (Bereits Tutanchamun besaß einen Fächer, die Reste davon wurden in seinem Grab gefunden, gegen Ägyptens Hitze. Ich besitze seit meinen ersten Besuchen im Roncalli-Zirkuszelt mehrere, klein, faltbar, praktisch, gegen Hannovers Hitze. Kurfürstin Sophie und ihre Damen hatten bestimmt auch Fächer.) Die Quellwolken türmten sich über uns, die Kleines-Fest-Vorhersage kündigte Regentropfen an, aber es blieb doch trocken. Erst nach Mitternacht entlud sich die Schwüle in einem heftigen Regenguss. Glück gehabt.
Die Hälfte des Reizes am Kleinen Fest teilt sich ins Anschauen der Programme auf den kleinen Bühnen, die man sich im Garten erlaufen muss (fächern, fächern, fächern) ...
Alle zu sehen ist an einem Abend unmöglich, denn 36 Darbietungen verteilten sich auf 8 eng getaktete Termine. Das verlangt Frusttoleranz. Die Qual der Wahl, wen will man unbedingt sehen, wer reizt und wer entspricht so gar nicht dem Geschmack ... Um von einer Bühne zur nächsten zu kommen hatten wir jeweils etwa 5 Minuten, da war ein vorab ausgeklügelter Wegeplan unbedingt nötig. Mit einer eingeplanten Pause bei den 16 Walking-Acts, den Dodovögeln, den Pinguinen oder Frans mit seiner Gurke. Nicht zu vergessen den Toilettenbesuch, mit schön kaltem Wasser und sauber! Floppte ein Programm in der persönlichen Bestenliste, gingen wir einfach. (Wir waren zu sechst. "Ja, ihr vier da, geht ruhig, wenn ihr wüsstet, was ihr verpasst." Ja nun, wer einmal beim Kleinen Fest den Magier Hans Klok gesehen hat, stellt Zaubereiansprüche. Und man sollte bis Sechs zählen können.),
... in den Besuch im Orient beim Moccamaker mit geeistem Mango-Maracujatee und Dattelfingern, Walnusskuchen, etwas türkischem Mokka, Knusperwaffeln, noch einem Eistee ...
Und während man da so sitzt, sieht man schon die Bänke, die gerade noch vor den Bühnen standen, an sich vorbeischweben, zu 90 Prozent getragen von Ü60ern, sie vorn, er hinten, Richtung Großes Parterre und Festende.
... und in das fabelhafte Feuerwerk der Firma Rohr zu klassischer Musik.
Das nur noch an einigen Abenden vollwertig auch mit hohen Raketen abgebrannt werden darf (wegen der Anwohner), an den anderen nur am Boden stattfindet, aber am letzten Abend sehr prächtig war.
Die andere Hälfte besteht im Schauen von Leuten.
Manche sind kaum von den Künstlern zu unterscheiden, so extravagant die Frauen, so vollbärtig die Männer, viele mit Kindern, einige mit viel zu kleinen Kindern für so einen langen Abend, mit Picknickdecken und Bollerwagen und manche mit viel zu viel Alkohol. Macht das Spaß einen ganzen Rucksack voller Bierflaschen, erst voll, dann offenbar ziemlich schnell leer, herumzutragen? Mit einem Bollerwagen dagegen kann man Essen, Trinken, Klappstühle transportieren, vor allem aber fabelhaft beim Einlass allen Umstehenden über die Füße fahren und sie gegen sich aufbringen - und kommt auch nicht schneller hinein. Außerdem scheint das Kleine Fest bei den Besuchern eine temporäre Unfähigkeit zum Stehen zu verursachen (s. o.) und mindestens die Hälfte von ihnen muss über Kenntnisse über Abkürzungen verfügen, denn auch mit zügigem Gehen waren alle Bänke schon besetzt, mitgebrachte Stühle aufgestellt und die Decken ganz vorn ausgebreitet wenn wir zur nächsten Bühne kamen. (Sascha Korf erzählte, bei einer Vorstellung habe sich die hohe Hainbuchenhecke neben ihm geteilt und aus der 'Triangel' sei ein älteres Ehepaar samt Bollerwagen aufgetaucht. 'Wir haben uns verlaufen', sei die Begründung gewesen. Ob's stimmt?)
Zurück zu den Rechenproblemen:
Es hält sich hartnäckig das Gerücht, pro Fest-Abend kämen höchstens 3.300 Besucher in den Großen Garten. Jeder erzählt das. Rechne ich aber nach, 63.000 geteilt durch 15 Abende, komme ich auf 4.200 Besucher. Warum?
Als das Kleine Fest 1986 begann, gab es 10 Bühnen und vier Spieltage und entsprechend wenige Besucher. Zum 20jährigen im Jahr 2005 hatte es sich auf 14 Spieltage und 33 Bühnen gesteigert, die Besucherzahl pro Abend stieg von bis dahin 2.200 (2.000 im Vorverkauf, 200 an der Abendkasse) auf 2.950 (2.750 plus 200), weil "es mehr Bühnen als im Vorjahr gab".
In den Jahren danach blieb die Bühnenzahl konstant bei über 30, die Spieltage schraubten sich auf 15, dann auf 16 hoch. Die Besucherzahl wurde auf 3.300 (3.000 plus 300) erhöht. 2013, bei 37 Bühnen, hieß es vom Verantwortlichen "Mehr als 3.300 Besucher pro Abend passen nicht zum besonderen Charakter dieses Festes."
Jetzt, 2019, gab es 3500 Eintrittskarten im Vorverkauf und 300 an der Abendkasse. Und weniger Bühnen als 2013. Uups.
Seit 2018 werden 'Förderkarten' mit einem Preisaufschlag von 200 Euro pro Karte verkauft, 2018 begrenzt auf insgesamt 600 Stück.
Früher spendeten die Sponsoren ihr Geld und erhielten dafür Karten für die Generalprobe des Kleinen Festes, jetzt ist die Generalprobe 3.500 Vereinsmitgliedern der "Freunde der Herrenhäuser Gärten" exklusiv vorbehalten (zu den normalen Kartenpreisen) und die Sponsoren kommen mit den Förderkarten an den regulären Abenden zusätzlich hinein.
Uups.
Ich rechne: Ziehe ich die 3.500 Vereinstickets von der Besucherzahl ab, komme ich auf 59.500 Besucher gesamt, auf fast 4.000 pro Abend (und auf 2.500 verkaufte Fördertickets und nicht nur 600). Oder verrechne ich mich? Nur, wie war das mit dem Besonderen Charakter des Festes (siehe 2013)?
Ich empfand es als voll. Voll in den Gängen, voll vor den Bühnen, voll beim Feuerwerk. Ja, es war schön, lustig, interessant, aber der spezielle Charme der Abende vergangener Jahren mit dem Gefühl von etwas Exklusivität und entspanntem Bummeln und der Gedanke, wie Kurfürstin Sophie zu feiern, war fort.