Und dann schneite es doch noch. Abends. Und der Mond beschien ein friedlich und sauber aussehendes stilles Hannover.
Am nächsten Morgen war alles futsch. Der Schnee, der Frieden, die saubere Stille. Es regnete auf den noch gefrorenen Boden, der Garten war im hinteren Drittel ein Teich, ein ziemlich nasses Eichhörnchen holte sich rutschend die letzte Nuss, die Nachbarn bauten mit Bohrer und Stemmeisen ihr Haus um.
Die Tageszeitung zählte wieder einmal alle gefühlten Defizite unserer schönen Stadt auf: Dass sie sich nicht genügend um die frierenden Obdachlosen kümmere, sich nicht genügend um verwahrlosende Romafamilien kümmere, sich nicht genügend um unsere Schulen und deren Heizungs- und Sanitärbereich kümmere (was ich bestätigen kann), sich nicht genügend um Hannovers Radfahrer kümmere und um den Feinstaub und das Bauamt und die Höhe der Mieten ... Von der unsäglichen Härke-Herbert-Schostok-Affäre mal gar nicht zu reden.
Die Stadtverwaltenden haben auf ihre spezielle Weise reagiert, nämlich mit einem völlig überflüssigen Verwaltungsakt, und gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Erstens spricht nun keiner mehr über die Defizite und den Filz im Rathaus sondern nur noch über besagten Akt, zweitens wird weiterer Zuzug nach Hannover verhindert. Wer will denn bei dem Imageverlust noch nach Hannover? Das entlastet den Wohnungsmarkt, mangelnde Nachfrage führt zu sinkenden Mieten, dann können sich auch Studenten eine kleine Wohnung leisten oder finden überhaupt eine und Hannover muss sich nicht um neue Studentenwohnheime kümmern und hat seine Ruhe. Ääääh?
Die Zeit, die Hannovers Verwaltung, tschuldigung Verwaltende in den neuen Verwaltungsakt " Empfehlung für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache", übrigens verbindlich für öffentliche Schreiben, gesteckt haben, ist also nicht verlorene Zeit und Stoff für Hannoverwitze in überregionalen Medien bis nach Zürich, sondern eine kluge Investition in eine SPDgeführte Zukunft Hannovers und Sicherung des eigenen Arbeitsplatzes.
Dafür lohnt sich auch die Arbeit an einem Flyer (downloadable auf https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Verwaltungen-Kommunen/Die-Verwaltung-der-Landeshauptstadt-Hannover/Gleichstellungsbeauf%C2%ADtragte-der-Landeshauptstadt-Hannover/Aktuelles/Neue-Regelung-f%C3%BCr-geschlechtergerechte-Sprache), der über geschlechterneutrale Sprache und das putzige Gendersternchen * aufklärt.
Aber wenn ich mir diese Anweisungen ansehe und mein Geschlecht reduziert auf ein Sternchen finde, dann kommt mir persönlich die Galle hoch. Bin ich dann eine Gallende? Ich habe mich noch nie durch die Sprache Goethes und Schillers diskriminiert gefühlt, jedoch durch Männer und ab und zu durch Frauen. Der Oberbürgermeister hat dazu gesagt, durch diesen Akt der Verwaltung wäre es ihm nun endlich möglich Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht anzusprechen. Will ich das? Macht das das Behördendeutsch leichter verständlich? Und lässt sich das auch vorlesen?
Und wer alles an diesem Verwaltungsakt gearbeitet hat: die Beauftragte (ja, eine Frau) für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, das Referat für Frauen und Gleichstellung, der Gesamtpersonalrat, die Personalentwicklung, der Bereich Kommunikation, die Dezernentenkonferenz und der Oberbürgermeister. Der mit der Affäre, von der es abzulenken gilt.
Was hätte so viel gebündelte Arbeitskraft alles Sinnvolles erreichen können ...