Wir haben es versucht, wirklich versucht. Nach all diesen Berichterstattungen über unterbezahlte und überarbeitete Paketboten - die guten Vorsätze waren da - wir wollten ihnen etwas Gutes tun, den Paketboten - wir wollten alle Geschenke vor Ort kaufen - analog - selbst durch die Ladentür gehen und Waren aus den Regalen nehmen und an die Kasse gehen und mit richtigem Geld bezahlen. Retro.
Ab in Hannovers Innenstadt.
Station 1: Buchhandlung. "Ich hätte gern das Taschenbuch X von der Autorin Y." Der junge Mann blickte einmal über seine Auslagen und sagte: "Muss ich bestellen.", blickte in seinen Computer und sagte dann: "Das gibt es nicht." Ich sagte, aber doch, denn ich hätte es bei dem großen Versandhändler A für alles angesehen und es würde 10 Euro kosten. Daraufhin suchte er es selbst bei A und sagte: "Das müssen sie bei meinem Kollegen bei A bestellen. Ich kann Ihnen das nicht verkaufen, unser Großhändler, der auch der aller Buchhandlungen Hannovers ist, führt diesen Verlag nicht. Das bekommen Sie in keiner Buchhandlung vor Ort."
Station 2: Parfümerie. Im Eingang stand ein junges Mädchen: "Darf ich Ihnen diesen Gutschein in die Hand drücken? Kaufen Sie für 100 Euro und sie bekommen einen Rabatt!!! Aber nur heute." "Oh, dann können Sie mir gleich helfen, ich brauche ... " "Nein, da müssen Sie eine Verkäuferin fragen." Überall standen Kunden bzw. -innen, viele "-innen", und probierten Parfum aus, nur Verkäuferinnen (gibt es eigentlich auch Männer in diesem Job?) fand ich nicht. Ich war schon fast ganz rum im Geschäft, da standen 2 versteckt in einer Ecke, jünger als meine Tochter. "Können Sie mir helfen? Ich suche das Produkt X von Y." "Ooh, das tut uns leid, wir verkaufen nur Dinge von Firma Z. Da müssen Sie sich eine Verkäuferin suchen." "Ich dachte, das hätte ich grad." Ich ging wieder hinaus.
Station 3: Kaufhaus K. Es war überschaubar leer. Trotzdem, wir suchten ganz alleine eine Handtasche aus. Gleich daneben war die Kasse. In großen Buchstaben. KASSE. Nur war niemand da. Dann kam ein junges Mädchen, drehte die Tasche hin und her und sagte "Ach, die haben Sie von da drüben? Ja das kassiere ich hier nicht. Hier ist nur Outlet." "Hier ist was?" "Ja, der ganze Bereich hinter mir ist Outlet und ich arbeite nur da." Wir suchten eine andere Kasse. Die Kassiererin nahm das ganze Papier aus der Tasche und sagte "Das brauchen Sie ja nicht." "Doch." "Ach." Dann tat sie es wieder hinein. Nur den Sicherheitschip ließ sie dran, das merkten wir aber erst beim Alarm beim Hinausgehen. Ich sagte "Die Tasche liegt noch einmal da, aber da ist der Schriftzug falsch angebracht." "Ja, da haben Sie ja Glück, dass Sie die richtige genommen haben ..." Es interessierte sie nicht die Bohne.
Im Klamottenladen hing ein Pullover mit dem Label Boss, dasselbe Design wie ein AnnyBlatt-Entwurf aus dem Jahre 1982, haargenau dasselbe. Ich weiß das, weil ich damals diesen Pullover für mich auf eine andere Wolle (die ich mir von meinem wenigen Geld leisten konnte) umgerechnet und gestrickt habe. Ich muss unbedingt meine alten Strickhefte suchen. Und dann komme ich groß raus.
Retro war übrigens auch die Auswahl an Dessous im großen Kaufhaus und die Nachtwäsche so mehr 60er Jahre Look. Kein Wunder, dass das große K in Schwierigkeiten steckt und fusionieren muss.
Und so haben wir dann doch einen Teil der Weihnachtsgeschenke per Post bringen lassen. Das hat hier bei uns auch so seine Tücken und ein gewisses Ärgernispotential, aber dann kann einem keiner ins Auto fahren, wenn man grade die Parkgarage verlässt ...