Was war das für ein wunderbares Wochenende. Altweibersommer pur mit sich langsam färbenden Blätter, mit Sonne ohne Ende, mit blauem Himmel und warm. Wer konnte war draußen und genoss. Rund um Hannovers Attraktionen stauten sich die Autos: am Zoo, am Freibad (übrigens dem letzten in Niedersachsen, das noch offen hat, Wassertemperatur 21 Grad Celsius, Lufttemperatur 26 Grad Celsius, das lässt sich gut aushalten), in Herrenhausen und am Tiergarten in Hannover-Kirchrode.
Der Tiergarten feierte sein jährliches Kinderfest. Kinder, die vorher Eicheln, Kastanien und Bucheckern gesammelt und im Tiergarten abgegeben hatten, hatten freien Eintritt, ein Stück Kuchen und ein Getränk umsonst. Alle anderen zahlten: bis 14 Jahre 1 Euro, darüber 2 Euro. Erschwinglich. Dafür gab es Spiel und Spaß, Zirkus und Waldquiz. Angeblich 25.000 Menschen waren am Samstag beim Fest.
Immerhin mehr als 20 Tonnen an Baumfrüchten kommen so in jedem Jahr für die zusätzliche Winterfütterung zusammen. Die Förster verstecken sie im ganzen Garten unter dem Herbstlaub (denn die Bäume des Parks können nur eine bestimmte Anzahl an Tieren ernähren) und das Reh-, Dam- und Rotwild scharrt es sich wieder heraus. Das verdrückt sich beim Fest jedoch lieber. Tief in den Wald hinein, dahin, wo die Menschen nicht hindürfen, weit weg vom Festgeschehen. Der Tiergarten ist groß.
Der hannoversche Tiergarten wurde von Hannovers Herzog Johann Friedrich 1678/79 für die herzogliche Jagd und Fleischversorgung des Welfenhauses angelegt. Das bedeutet schlicht, dass in Kirchrode ein Waldstück eingezäunt und Damwild ausgesetzt wurde. Erst ab 1799 (sein Nachkomme Georg III. regierte England und Hannover) durften auch die Hannoveraner in den Garten. 1866 annektierte Preußen das Königreich Hannover, der Garten kam unter preußische Verwaltung. Und beließ erst einmal alles beim Alten. Dann aber hatte Preußen die Idee, aus dem Gelände Bauland zu machen. Hannover schäumte und kaufte 1903 den Tiergarten auf, baute ein Ausflugslokal und die Hannoveraner kamen in Scharen. In den Hungerjahren der 1940er-Jahre dann aß Hannover den Tierbestand auf.
Aber heute leben im Tiergarten wieder Dam- und Rotwild, Rehe und Wildschweine, jede Menge Vögel, Fledermäuse, Marder, Eichhörnchen, Hasen und Füchse.
Der Tiergarten ist gelenkte Natur: Aus dem ursprünglichen Waldstück wurde im Laufe der Zeit ein Waldpark mit schönen geschwungenen Wegen und Alleen, mit lockerem Baumbestand, schönen Wiesen, kleinen Teichen, mit freistehenden großen Bäumen mit großer Krone (weil sie dann mehr Früchte tragen) und vielen Bänken zum Ausruhen. Gestorbene Bäume bleiben im Park, sie bieten Lebensraum für viele Parkbewohner. Pilze siedeln auf ihnen. Spechte bauen ihre Höhlen. Eulen schuhuhen. Und es sterben immer wieder Bäume, denn viele sind Hunderte von Jahren alt. Stürme und Blitzeinschläge fordern Opfer. Am ältesten ist eine Eiche in Eingangsnähe, die heute sorgsam gepäppelt und gepflegt wird. Seit gut 680 Jahren steht sie dort, mein Gott, was hat sie nicht alles überlebt. Sogar einen Blitzeinschlag vor 40 Jahren. Als sie aus einer Eichel keimte baute Hannover gerade seine Stadtmauer.
Fast hätte ich es vergessen: die Frau im ersten Bild findet ihr auf dem Stamm der Birke.