Ich glaube, es war in der vierten Grundschulklasse. "Das Moor" stand auf dem Lehrplan. Ich war sehr aufgeregt, denn der Lieblingsbruder meiner Mutter war Moorarchäologe und von ihm stammte der Text in meinem Schulbuch. Ich konnte alles auswendig. Ich wusste alles über Entstehung und Vegetation und Bohlenwege. Moor interessierte mich. Moor faszinierte mich.
Später habe ich entdeckt, wie viele Mücken es im Moor gibt und wie wenig Schatten, wenn die Sonne brennt. Aber da war es schon passiert und meine Liebe entstanden.
Wenn mein Onkel noch lebte ... wenn er wüsste, dass unsere Bundeswehr einfach so mir nichts, dir nichts, bei Meppen sein gelietes Moor in Brand schießt ... das Moor, das so lange gebraucht hat, um zu entstehen und das so ein einzigartiges Biotop ist ... das nun hin ist für immer ... Ich glaube, er würde ganz exorbitant in die Luft gehen.
"Natürlich" habe ich meine Familie ins Moormuseum geschleppt. Obwohl es ein warmer/heißer Tag war und die Mücken quicklebendig und obwohl mir in Dauerschleife gesagt wurde, wie laaangweilig das doch sei. Gut, wenn ich mir jetzt so meine Fotos betrachte, gebe ich zu, dass es nicht das aufregendste Erlebnis unserer Ostfrieslandtour war. Aber informativ.
Das Moormuseum befindet sich in Moordorf. Das liegt im Südbrookmerland bei Aurich, auf halber Strecke zwischen Esens und Emden und ist damit so ostfriesisch wie es nur geht.
Die Moorkolonie Moordorf wurde 1767 gegründet, da, wo sich Fuchs und Hase "Gute Nacht" sagten. Damals gehörte Ostfriesland zu Preußen und Friedrich II., der "Alte Fritz", überlegte, wie er an Geld für seine Kriege kommen könnte. Das wichtigste Produktionsmittel damals war der Boden, die wichtigste Einnahmequelle die Bauern. Das Mittel der Wahl für erhoffte höhere Steuereinnahmen war deshalb die Besiedelung unbewohnter Gebiete. Was ganz einfach hieß, dass Preussen den Menschen, die als Bauern zu Wohlstand kommen wollten, Land verpachtete (Preussen verdiente gut daran) und es dann ihnen überließ, es urbar zu machen.
Im Falle von Moordorf ging das für die Siedler gründlich schief. Sie erschlossen das Land durch Brandrodung und bauten dann Buchweizen an und hielten Vieh. Die verpachteten Parzellen waren aber einfach zu klein und der Moorboden zu unergiebig, um genügend anzubauen. Es gab keine Infrastruktur, keine vernünftige Entwässerung, dabei grenzte das Siedlungsgebiet ans Hochmoor, und die Siedler hatten nicht die Mittel, etwas zu ändern. Sie waren auf Nebenverdienste angewiesen, die gab es aber kaum bei Fuchs und Hase. So lebten sie statt als Bauern vom Torfabbau, vom Besenbinden, Betteln und Hausieren. Moorkolonien waren Dörfer der Armen. Die Menschen wohnten in primitiven Hütten aus Gras- und Torfsoden, die erst später Lehmhäusern wichen. Sie bekamen viele Kinder, die waren schon jung wichtige Arbeitskräfte und konnten deshalb nicht in die Schule gehen. Ein hartes, entbehrungsreiches Leben.
Wer im Moormuseum eine Führung mitmacht erfährt so einiges darüber.