"Global", ein gern verwendetes Schlagwort der heutigen Zeit: sich verantwortlich machen für das Gesamte, über den Tellerrand hinausschauen in andere Kulturen.
Wir in Hannover schauen und denken gerne in Richtung Japan, es gibt eine deutsch-japanische Gesellschaft, einen Kultur- und Jugendaustausch, ein Hiroshima-Bündnis und einen Freundschaftskreis Hannover-Hiroshima -
und seit bereits 35 Jahren gibt es eine schriftlich besiegelte Städtepartnerschaft Hannovers mit Hiroshima.
Zeichen dieser Verbundenheit stehen an so manchen Orten in Hannover. 1988 schenkte uns Hiroshima ein Teehaus, das jetzt im Stadtpark steht und von der deutsch-japanischen Gesellschaft betreut wird. Die uns schon 1985 ebenfalls geschenkte Friedensglocke hängt in der im zweiten Weltkrieg zerbombten Aegidienkirche, die mit Absicht nicht wieder aufgebaut wurde und mahnend als Ruine dasteht. Die Glocke erklingt jedes Jahr am 6. August um 8:15 Uhr zeitgleich mit einer identischen zweiten Glocke, die in Hiroshima hängt. Denn am 6. August 1945 um 8:15 Uhr unserer Zeit wurde über Hiroshima die erste Atombombe gezündet. Und wer in unserer modernen Welt global handeln und denken will muss alles dafür tun, dass so etwas nie wieder passiert. Und er darf es nicht vergessen.
Bereits 1982 pflanzte Hannover 110 weiße japanische Zierkirschen auf dem Gelände der alten Pferderennbahn im Stadtteil Bult.
110, weil soviele Tausend Menschen gleich nach dem Bombenabwurf in Hiroshima starben.
Zierkirschen, weil sie in Japan etwas Besonderes sind, ein Symbol der Kultur für Frühling und Aufbruch.
Das Fest der Kirschblüte ist Hanami und Hanami wird jedes Jahr auch in Hannover gefeiert.
Am letzten Sonntag war das Kirschblütenfest eine Punktlandung. Das für Nachmittags angekündigte Gewitter blieb aus und die Bäume blühten um die Wette.
Wir waren schon am Samstagmorgen dort und verzichteten auf Picknick und Aktionen rund ums Japanische, dafür, so die Planung, hatten wir Ruhe und Muße für unsere Fotos. Fast hätte die Wirklichkeit dem Wunsch entsprochen:
Abgesehen von durchjagenden Fahrradfahrern, Klingelklingeling, platzdajetztkommich (Fahrradführerscheine? gute Idee), als wäre es eine Fahrradschnellstraße und keine Zu-Fuß-Gehenden unterwegs.
Abgesehen von den vielen Hunden, den vielen freilaufenden Hunden, nicht einer war angeleint, große Hunde (Dalmatiner, Schäferhunde, Doggen), die uns beschnüffelten - nein, ich mag das nicht - und was ist mit der in den hannoverschen Medien groß herausgestellten Anleinpflicht seit dem 1.4. wegen der brütenden Vögel? und die Bult ist kein Hundefreilaufgebiet und hei, ihr Tierliebhaber, beschränkt sich eure Liebe nur auf Hunde?
Angesichts all der hannoverschen Geschehnisse um Fahrradfahrer, die von Hunden umgerissen werden und sterben und um Hunde, die ihre Besitzer totbeißen, eingeschläfert werden und für die dann eine Mahnwache gehalten wird (also für den Hund, nicht die Menschen, wie krank ist das denn?), habe ich dafür überhaupt kein Verständnis. Null!
Am Gedenkhain steht ein Schild, das um Rücksichtnahme auf den Charakter dieses Ortes bittet und darum, die Hunde nicht unter die Kirschbäume zu lassen. Und dann hoben die Freunde des Menschen ausgiebig die Beinchen, dort, wo am Sonntag die Picknickdecken ausgebreitet werden sollten ...
Rücksichtnahme ist offenbar zu einem Fremdwort geworden. Das Halten an Regeln auch. Wie immer, wenn etwas nicht kontrolliert wird und Fehlverhalten keine Konsequenzen nach sich zieht.
Natürlich gibt es am Gedenkhain auch Kunstinstallationen. Die Granitplatte stammt aus Hiroshima, sie lag 1945, als die Atombombe explodierte, als Straßenbelag zwischen Straßenbahnschienen 200 Meter nördlich des Explosionspunktes. In die Platte wurde das Bild der Friedensgöttin des Buddhismus gemeißelt. Und ich habe mich gefragt, ob die Platte nicht immer noch Strahlung abgibt ...
Dann gibt es weiße Hände, große und kleine, die sich zum Himmel recken. (In den Händen liegt so viel Symbolik, dass ihr sie besser bei Wikipedia nachlest.) Der Künstler, der jährlich zu Hanami sein Werk in Ordnung gebracht hat, lebt nicht mehr und es fühlt sich wohl niemand verantwortlich, die Hände in Ordnung zu halten. Schade, ein bisschen Unkrautzupfen, ein bisschen Gras zurückschneiden vor Hanami wär schon schön gewesen.
Die Rennbahn zog 1973 in Richtung Langenhagen um und heißt seither Neue Bult, die Alte Bult erlebte 1970 das letzte Rennen, weil - IBM kaufte das Gelände für angeblich 20 Mio Mark und begann,
eine Transistorenfabrik zu bauen, dann kam die technische Innovation Mikroprozessor, IBM stampfte die Baupläne ein und gab das Gelände zurück, (ebenfalls angeblich) durfte Hannover das Geld
behalten, dann wurde dort, wo IBM schon gebuddelt hatte, ein Kinderkrankenhaus gebaut und der Rest des Geländes zum Landschaftsschutzgebiet.