Ich kenne Teeblumensträucher seit frühester Kindheit. Das waren die großen Büsche, die auf dem Gelände unseres kleinen verschlafenen Dorfbahnhofs an einer Böschung wuchsen. Mir kleinem Kindergartenkind kamen sie riesig vor.
Und es ließ sich in ihnen hervorragend Verstecken spielen. Über mir dufteten die Blüten und summten die Bienen, während ich zusah, wie die Eisenbahn ihre Fahrgäste ausspuckte und auf den Heimweg schickte. Mit dem Auto fuhr damals fast keiner, alles ging zu Fuß oder fuhr Fahrrad. Auf einem kleinen Fußweg direkt an mir vorbei und ich war überzeugt, dass mich keiner sah.
Jahre später war der Bahnhof nicht mehr ganz so verschlafen, das Kopfsteinpflaster durch Asphalt ersetzt und ein großer Parkplatz angelegt. "Gärtner" hatten den Wildwuchs an Sträuchern und Kräuter plattgemacht und meine Teeblumen so weit zurückgeschnitten, dass sie starben.
So ähnlich wie das hier bei uns im Frühling am Ufer des Mittellandkanals geschehen ist, als die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung einen Kahlschlag der Natur entlang des Kanals veranlaßte. Bürger und Politiker waren entsetzt, Naturschutz und Umweltamt schalteten sich ein - und knicken vor der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung ein. Ein Sturm im Wasserglas des Kanals. Im Herbst soll es jetzt Ersatzpflanzungen geben... Wir sind gespannt. Sie haben nicht gesagt, welchen Herbst sie meinen. Und was sie unter Ersatzpflanzung verstehen.
Aber die Idylle ist futsch. So wie mein verwunschenes Kindheitsversteck, das nur noch in meinen Erinnerungen existiert.
Unser Teeblumenstrauch wächst im Südbeet und blüht zuverlässig jeden Sommer - seit fast 50 Jahren. Damals hat ihn meine Schwiegermutter gepflanzt. Aus den Blüten werden kleine Samenstände, die die Vögel lieben. Seine Kinder daraus tauchen immer wieder mal hier mal da im Garten auf. Zwei von ihnen durften bleiben, die anderen habe ich verschenkt. Bienen und Hummeln lieben die Blüten. Wenn es warm und sonnig ist, brummt der ganze Strauch.
Wir nannten sie Teeblumensträucher. Wohl wegen ihrer japanischen Herkunft. Ihr richtiger Name ist Spiraea Japonica - Japanischer Spierstrauch. Die mehr als 80 Arten an Spiraea kommen zu 90 Prozent aus Japan und dies ist der japanischste. Sie mögen Sonne, vertragen Trockenheit und sind absolut unempfindlich. Spiraea Japonica blüht im Juni/Juli an den neuen Trieben des Jahres. Darum wird er nach den Frösten im Frühjahr zurückgeschnitten, möglichst bevor die neuen Triebe erscheinen. Und das ist eigentlich die ganze Arbeit, die er macht. Die Farbe der Blüten reicht von weiß bis pink, meistens sind sie irgendwo dazwischen.